Der Wesensee

Der Unstete und Geschichtenerzähler

Der Wesensee ist eine Besonderheit. Er hat keinen oberirdischen Abfluss und nur einen kleinen Zufluss von der Endmoräne her, die Haselrinne, die nur nach starken Niederschlägen Wasser führt. Er ist hauptsächlich durch Grundwasser gespeist. Ursprünglich „Wiesensee“ genannt, war er mal feuchte Wiese, mal See, und im 15./16. Jahrhundert sogar eine Zeit lang Eichenwald. Der Wesensee erscheint und verschwindet (fast) wieder in langjährigen Zyklen. Noch Ende der 1980er Jahre war er viel größer und hatte einen über zwei Meter höheren Wasserstand. Wo der  Seespiegel fällt und breite Schlammbänke, Sand- und Steininseln freigibt, kommen uralte  Eichenstümpfe zum Vorschein. Vermutlich ist der heutige See erstmals im Zuge der großflächigen Waldrodungen ab dem 13. Jahrhundert n. Chr. entstanden.


Wegen seiner Dynamik ist der See besonders reich an Wasservögeln. Hunderte oder sogar  Tausende Kraniche nutzen die Flachwasserzonen des Sees zeitweise als Schlafplatz. Auch große Scharen von Wildgänsen schlafen mitunter auf dem See. Sie alle locken Seeadler an, die hier zur
Jagd gehen. Auf neu entstandenen Inseln oder ausgebrachten Nistflößen können sich große Möwen- und Seeschwalben-Brutkolonien mit Hunderten Brutpaaren bilden. Kiebitze und  Flussregenpfeifer, Wasserläufer- und Strandläuferarten lassen sich beobachten. Das bunte Vogeltreiben am Wesensee hat Marco Just in seinem Buch „Vogelzug am Wesensee“ in Wort und Bild dokumentiert.


Weitere Besonderheiten des Sees sind die vielen Drosselrohrsänger, die ihren lauten knarrenden und quietschenden Gesang aus den Röhrichtgürteln hören lassen. Fischadler, Rot- und  Schwarzmilan gehen regelmäßig auf Beutezug.


Dynamik des Wesensees

Text: Marcel Stöhr und Dr. Olaf Juschus, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Schauen Sie sich den Wesensee genau an. Stellen Sie sich nun anstelle des Sees einen lichten Eichenwald vor. So in etwa könnte die Landschaft noch Mitte des 16. Jahrhunderts ausgesehen haben. Einen See oder ein nasses Moor hat es zu dieser Zeit wahrscheinlich nur im nördlichsten Teil des heutigen Sees gegeben. Da der Wasserstand des Wesensees in den letzten Jahrzehnten um mehrere Meter gesunken ist, sind nun aus dem Wesensee die alten Baumstümpfe wieder aufgetaucht. Diese wurden dendrochronologisch (Datierung anhand der Wachstumsringe von Bäumen) auf eine Wachstumszeit von 1460 bis um oder nach 1557 datiert. Sie sind damit  Zeitzeugen Martin Luthers.


Dass die 500 Jahre alten Baumstümpfe noch so gut erhalten sind, belegt aber auch, dass sie in der Zeit danach überwiegend unter Wasser standen, der Wesensee also existiert haben muss. Auf den ältesten detaillierten topographischen Karten um 1780 ist der Wesensee sehr groß dargestellt. Seitdem ist er deutlich geschrumpft. Der Wesensee hat aber in den letzten 250 Jahren nicht immer nur Wasser verloren. Es gab auch Zeiten, in denen er gewachsen ist, zum Beispiel zwischen den 1940er und 1980er Jahren. Nach neueren Untersuchungen scheint es für grundwassergespeiste Seen ohne Zu- und Abfluss des nordostdeutschen Tieflandes wie den Wesensee die Regel zu sein, dass über mehrere Jahrzehnte Wasserstandsschwankungen von 1-3 m auftreten. Am  Wesensee mit seinen sehr flachen Ufern wirken sie aber besonders dramatisch.


Kommen Sie in ein paar Jahren noch einmal vorbei, dann können Sie eventuell beobachten, wie sich der Wesensee wieder allmählich vergrößert (oder aber komplett verschwunden ist wie zu Luthers Zeiten). Der See ist sehr dynamisch und immer im Wandel, das ist Teil seiner Natur. Ob er komplett verschwindet oder sich wieder zu alter Größe aufschwingt, kann nur die Zeit zeigen.


Wesen der Unterwasserwelt - Armleuchteralgen (Characeen)

Auch unter Wasser beherbergt der Wesensee große Kostbarkeiten: Acht Armleuchteralgen-
Arten wachsen hier. Armleuchteralgen sind eine ganz eigene, geheimnisvolle Pflanzenfamilie.

Sie gehören weder zu den Algen noch zu den Farn- und Blütenpflanzen und bilden eine eigene Artengruppe.


„Einsam und verlassen steht die Gattung
Chara in der grossen Reihe der verschiedenen
Gebilde der Pflanzenwelt, fremdartig
ist ihr Aeusseres, und schwer zu errathen
die tiefe Bedeutung ihrer Organisation.“
(Meyen, 1827)


Viele Armleuchteralgenarten haben Haupttriebe und davon quirlartig abzweigende Äste und Blüten, so dass sie ein bisschen wie „Armleuchter“ aussehen. Sie wachsen unter Wasser und sind meist auf sehr klares Wasser angewiesen.


In Deutschland gibt es 36 Armleuchteralgen-Arten, davon kommen allein 22 Arten im Parsteinseegebiet vor. Im Parsteinsee selbst sind es 12 Arten, die in großen Unterwasserwiesen auf einer Fläche von insgesamt 550 ha bis in 8 m Tiefe wachsen, im Brodowinsee 9 Arten, im Rosinsee und im Wesensee immerhin je 8 Arten. Einige extrem seltene, sehr spezialisierte Arten leben in nur periodisch wasserführenden Ackersenken im Raum Parstein, darunter die weltweit extrem seltene Bauers Armleuchteralge (Chara baueri) und die ebenfalls sehr seltene Sprossende Baumglanzleuchteralge (Tolypella prolifera).

Folgende Armleuchteralgen-Arten wurden im Jahr 2014 bei Tauchgängen im Wesensee von Uwe Raabe und Andrzej Pukacz gefunden:

  • Raue Armleuchteralge (Chara aspera) – recht viel, teils aspektbildend
  • Hornblättrige Armleuchteralge (Chara tomentosa) – viel
  • Furchenstachlige Armleuchteralge (Chara rudis) – recht viel
  • Stern-Armleuchteralge (Nitellopsis obtusa) – recht viel
  • Gegensätzliche Armleuchteralge (Chara contraria) – recht viel
  • Faden-Armleuchteralge (Chara fi liformis) – wenig, mehrfach
  • Feine Armleuchteralge (Chara virgata) – wenig
  • Zerbrechliche Armleuchteralge (Chara globularis) – wenig

 

Neben den Armleuchteralgen wachsen natürlich noch viele weitere Pflanzen im Wesensee: Unter anderem bilden Nixkraut (Najas marina), Ästiges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) und Raues Hornblatt (Ceratophyllum demersum) ausgedehnte Unterwasserwiesen Es ist kein Wunder, dass in diesem reichhaltigen Bewuchs auch viele Fische leben. Neben den heimischen Arten gibt es hier jedoch auch große Spiegelkarpfen und Amurkarpfen. Diese eingesetzten Arten fressen die Unterwasserpflanzenbestände ab, und durch ihre Wühltätigkeit im Gewässergrund verschlechtert sich die Wasserqualität des Sees. Es ist zu hoffen, dass sie möglichst bald dem Fischer ins Netz gehen, um bei einem der Brodowiner Feste auf dem Teller zu landen...


KURIOS: Im Jahr 1705 haben Brodowiner sich das Fischerei-Recht erkämpft, indem sie den See in einer Nacht leer gefischt und dann die Fische in Berlin verkauft haben. Daraufhin wurde den Brodowinern das Fischereirecht zugesprochen.